01.06.23
Schimmelpilz Sanierung: Für ein nachhaltiges Resultat ist die Wahl der Oberflächenbeschichtung entscheidend.
Die drei wesentlichen Einflussfaktoren für das Auskeimen und das Wachstum von Schimmelpilz sind:
Sind alle drei Bedingungen gleichzeitig und am gleichen Ort erfüllt, so entsteht der potenziell gesundheitsgefährdende Schimmelpilz.
Eine graphische Zusammenfassung zeigt das folgende Bild:
Im Folgenden wird auf das Thema Oberflächen und Oberflächenbeschaffenheit in Zusammenhang mit Schimmelpilz-Sanierungen eingegangen.
Die Wahl des Materials von Bauteiloberflächen definiert, ob ein optimaler oder suboptimaler Nährboden für Schimmelpilze eingebaut wird. Bei der Wahl der Bauteiloberfläche hat also der Sanierer oder Bauherr das Menu für den Schimmelpilz in der Hand. Je nach Wahl schmeckt’s dem Schimmelpilz oder nicht. Die Fach-Literatur spricht in diesem Zusammenhang von Substratgruppen.
Auf Materialien der Substratgruppe 0 keimen Schimmelpilze am schnellsten aus und wachsen mit der grössten Geschwindigkeit. Ein wesentlicher Faktor ist auch der Verschmutzungsgrad der Oberfläche. Eine Oberfläche, die der Substratgruppe II zugerechnet wird, kann in verschmutztem Zustand zu einem optimalen Nährboden für Schimmelpilze werden. Die Praxis zeigt, dass das Auftreten von überhöhter relativer Luftfeuchtigkeit auf Bauteiloberflächen als Hauptursache für das Auftreten von Schimmelpilzen verantwortlich gemacht werden kann. Diese Feuchtigkeit wird bestimmt durch die relative Umgebungsfeuchtigkeit, die Bauteiltemperatur und die Beschaffenheit der Bauteiloberfläche.
Die relative Luftfeuchtigkeit in einem Raum wird vom Lüftungsverhalten des Nutzers beeinflusst. Im Wohnbereich sind es die Bewohner, in der Industrie beispielsweise eine automatische Lüftung. Die Bauteiltemperatur ist im Wesentlichen von der Geometrie (geometrische Kältebrücke), den Umgebungstemperaturen (Temperaturdifferenzen Aussen / Innen) und dem Isolationswert abhängig. Sinkt die Oberflächentemperatur des Bauteils auf oder in der Nähe des Taupunktes, so entsteht Tauwasser auf der Oberfläche (im Mollier Diagramm kann dieser Vorgang aufgezeigt werden). Bei einer hydrophoben Oberflächenbeschaffenheit bleibt dieses Tauwasser auf der Oberfläche und bildet die Grundlage für eine Schimmelpilzbildung. Das Tauwasser kann nur mittels Verdampfung von der Oberfläche wegtransportiert werden. Die Verdampfungsrate ist unter anderem von der benetzen Fläche abhängig. Wasser als Tropfen ausgebildet, verdunstet weniger schnell, als Wasser welches sich wie auf einem Löschblatt „ausgebreitet“ hat. Wählt man eine hydrophile Oberflächenbeschaffenheit, die gleichzeitig so ausgestaltet ist, dass sie die Oberflächenspannung des Tauwassers bricht (Löschblatt), führt dies dazu, dass die Verdunstungsrate erhöht wird: die Oberfläche bleibt trocken und für ein Schimmelpilzwachstum fehlt eine Grundlage. Bei hydrophoben Oberflächen (z.B. Dispersionsanstriche) bleibt das Tauwasser in Form eines Tropfens auf der Oberfläche: die Oberfläche bleibt lange nass und feucht.
Kennt man die Bauteiltemperatur, die Feuchtigkeitswerte in der Umgebung und die Substratgruppe, so kann nach Sedlbauer [1] das Vorkommen von Schimmelpilzen mit Hilfe des von ihm entwickelten Isoplethensystems vorausgesagt werden, d.h. es kann eine Aussage getroffen werden, nach welcher Zeit der Pilz auskeimt und mit welcher Geschwindigkeit er wächst. Ein Beispiel: Ein Raum mit 20°C Raumtemperatur und 60% relativer Feuchtigkeit, hat eine Kältebrücke, mit einer Wandtemperatur von 15°C. Wir gehen von einem Material der Substratgruppe II aus. In der Nähe der Wand sind jetzt 82% relative Feuchtigkeit. Bei einer hydrophoben Oberfläche dauert es bei diesen Bedingungen ca. 8 Tag bis der Schimmelpilz ausgekeimt ist, und er wächst mit ca. 1 mm pro Tag!
Nimmt man nun ein Material der Substratgruppe 0, dann erfolgt die Auskeimung nach weniger als einem Tag und das Wachstum beträgt ca. 3mm pro Tag.
An Aussenwänden, jedoch aber im Bereich von geometrischen Wärmebrücken empfehlen wir die Applikation von Antikondensat-Beschichtungen. Das Aufkommen von Tauwasser, das an der Oberfläche bleibt und nicht verdunstet, kann so zu einem wesentlichen Teil verhindert werden. Die Applikation von Dispersionsfarben an die oben erwähnten Stellen empfehlen wir nicht, da diese Farben nur in einem geringen Masse hydrophil sind, respektive eine geringe Verdunstungsrate aufweisen.
Oft trifft man in der Praxis Fälle an (insbesondere im Wohnbereich), bei denen nach der Schimmelpilz Entfernung wieder Tapeten appliziert wurden. Diese Vorgehensweise genügt zwar ästhetischen Gesichtspunkten, ist jedoch aus Sicht der Schimmelpilzprävention völlig falsch. Tapeten bestehen oft aus Cellulose, die der Substratgruppe I zuzuordnen ist, und somit einen guten Nährboden für Schimmelpilze darstellen.
Auch im Fall von Schimmelpilzsanierungen empfehlen wir dringend die Verwendung von hydrophilen Oberflächenbeschichtungen. Es gibt heute Produkte auf den Markt, die neben einer Speicherwirkung auch die Oberflächenspannung des Tauwassers brechen, was zu signifikant höheren Verdunstungsraten führt, sogenannte Antikondensat Beschichtungen. Das Resultat sind trockene Bauteiloberflächen.
Das Anbringen einer Innenisolation ist unserer Meinung nach nicht unbedingt sinnvoll. Wärmetechnisch führt eine Innenisolation dazu, dass die Raumwärme von der hinter der Isolation liegenden Aussenwand isoliert wird, die Aussenwand aber vollständig der kalten Aussentemperatur ausgesetzt bleibt.
Der gewünschte Effekt, dass sich die Temperatur der Bauteiloberfläche erhöht, und somit vom Taupunkt entfernt, wird oft nur in einem sehr geringen und daher unwesentlichen Ausmass erreicht. Weit schlimmer ist die Gefahr einzustufen, dass sich zwischen der Isolation und der Aussenwand, im versteckten, Schimmelpilz bilden kann.
Ein wichtiger Faktor in der Prävention und in der Sanierung von Schimmelpilzfällen ist die Wahl der richtigen Oberflächenbeschichtung. Wird mit hydrophilen Materialien gearbeitet, kann bei Neubauten oder nach Schimmelpilzsanierungen eine wesentliche Voraussetzung geschaffen werden, dass Schimmelpilz gar nicht entsteht oder nicht wieder entstehen kann.
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